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Der Mai 2024 in Nowegen - Teil II

Der Mai 2024 in Nowegen - Teil II

16.05.2025 (letztes Update 18.04.2025)

Dieser Beitrag ist Teil 2 von 2 der Artikel-Serie "Mai in Norwegen"

Artikelserie "Mai in Norwegen"

  1. Der Mai 2024 in Norwegen - Teil I
  2. Der Mai 2024 in Nowegen - Teil II

Unser Weg führt uns abermals durch ein Hochtal und so zuckeln wir mit unserem Boot im Schlepptau stetig bergauf, bewundern die Bergwelt mit ihren schroffen, schneebedeckten Gipfeln. An einem Aussichtspunkt halten wir an. Wir sind gegenüber der Einmündung zum Geirangerfjord, die Aussicht - atemberaubend und wir fragen uns, warum wir es dieses Jahr nicht fertiggebracht haben, mit unserem Boot nach Geiranger zu fahren.

Vor zwei Jahren haben wir das gemacht. Es war überwältigend, mit dem eigenen Boot, in eigenem Tempo diesen Fjord zu befahren. Hinaufzuschauen zu den Riesen auf dessen Kuppen manches Mal, umgeben von Wiesen, Gehöfte kleben. Kleine unbewaldete Flecken in schwindelerregender Höhe. Wie gelangten die Menschen dort hin, fragten wir uns. Gibt es eine Straße? Gibt es dort Strom und Wasser? Wie kommt man auf die Idee, dort oben zu siedeln? Fasziniert betrachteten wir das Farbenspiel. Ich weiß noch, ich habe fotografiert und plötzlich zerriß ein ohrenbetäubendes Geräusch die Stille. Ohne zu wissen, wie mir geschah, kauerte ich mich im Bug unseres Bootes zusammen und schaute nach oben. Vier Kampfflugzeuge rauschten im Tiefflug über uns hinweg. Ich konnte die Bomben unter ihren Tragflächen erkennen. Der Druck des Geräuschs vibrierte durch meinen Körper und mir schossen die Tränen in die Augen. Ein kurzer Moment der Panik, dann war alles ruhig. Zurück blieb nur das Adrenalin in meinen Adern und ich wusste nicht wohin mit meinen überbordenden Gefühlen. Wir brauchten einige Zeit, um uns zu sammeln und weiterzufahren. Mit der Betrachtung der Berge versuchten wir, uns abzulenken. Ein vages Verstehen einer Traumatisierung der Menschen, die einen Fliegerangriff überlebt haben, drängte sich mir auf.

Eine Anlegestelle fiel uns auf. Daneben ein kleines Häuschen. Seile verliefen steil nach oben. Bei einem anderen Gehöft in der Nähe unserer Unterkunft hatten wir das schon gesehen. Eine Seilbahn. Wir malten uns aus, wie die Menschen mit einem Boot anlegten, ihre Güter aus- bzw. in die Seilbahn umluden. Ob sie per Hand oder elektrisch bedient wird, konnten wir nicht erkennen und ein Fragezeichen mehr kam auf unsere Liste. Wir entdeckten einen Pfad, der sich in Serpentinen den Berg hochzog und konnten uns das Leben hier nicht vorstellen. Gleichzeitig waren wir fasziniert, was Menschen alles bewerkstelligen, um irgendwo zu leben.

Je näher wir Geiranger kamen, umso belebter wurde es. Ein riesiges Kreuzfahrtschiff hatte angelegt und war dabei, seine Passagiere mit Tenderbooten auszubooten. Ein Schiff der Hurtigruten legte gerade ab. Ausflugsboote standen zum Auslaufen bereit, sobald die ersten Schiffstouristen an Bord gehen würden.

Eine Yacht lag etwas abseits des Hafens vor Anker. Seitlich war eine Luke offen, die an ein riesiges Garagentor erinnerte. Innen konnten wir Jetskis und Fitnessgeräte erkennen. Ein Meter Yacht kostet ca. 1 Mio. Euro und diese war geschätzt 40 Meter lang – am Rande bemerkt.

Wir mussten uns darauf konzentrieren, wo wir mit unserem Boot hinfuhren, denn Kanuten tummelten sich ebenfalls auf dem Wasser. Langsam fuhren wir in den Gasthafen ein, vertäuten unser Boot vor zwei kleineren Yachten, die immer noch so groß waren, dass unser Boot daneben wie ein Ruderboot wirkte. Wir waren stolz auf uns, war es doch unsere erste große Tour mit unserem kleinen Boot.

Vom Gasthafen aus liefen wir in die Stadt, die bereits von den Kreuzfahrtschiff-Touristen überschwemmt war.

Nach einer Weile der Still und Beschaulichkeit, bekommt mir dieses Gewusel der vielen Menschen nicht. Die Nähe zu ihnen wurde mir schnell unangenehm und stresste mich. Auch meinem Mann gefiel es nicht und so aßen wir ein Eis und gingen schnell wieder zu unserem Boot. In der Nähe erhielten die Touristen eine Einweisung für eine Speed-Boot-Tour. Geiranger ist ein Knotenpunkt. Hier kann man den Fjord auf verschiedene Arten befahren. Aber es geht auch ins Gebirge. Elektroautos können gemietet werden und es besteht die Möglichkeit zu einem Aussichtspunkt hochzufahren, der einen grandiosen Blick über den Geirangerfjord und die umliegende Bergewelt bietet.

Dort waren wir einmal mit dem Auto, weil wir die Adlerstraße fahren wollten. Diese Straße geht nach Geiranger hinunter und auf der anderen Seite schlängelt sich eine weitaus beeindruckendere Straße wieder nach oben. Der Aussichtspunkt in den Bergen bietet eine atemberaubend schöne, Wind umtoste Aussicht und ein nettes Café mit Souvenirladen erwartet den Besucher. Eine Art Museum mit Café befindet sich gleich oberhalb von Geiranger auf halbem Weg.

Auf unserem Rückweg überholte uns ein Schiff der Hurtigruten und eines der Ausflugsboote kam gerade von seiner Tour zurück. Es schmiss garstige Wellen, sodass unser Boot wie eine Nussschale auf den Wellen tanzte und wir hin- und hergeworfen wurden. Dann wurde es endlich wieder ruhiger und wir genossen die Heimfahrt.

Vielleicht haben wir es in diesem Urlaub wegen den Touristenmassen vermieden, in den Geiranger zu fahren. Wir haben die nicht gerade stabile Wetterlage als Vorwand genommen und nun stehen wir hier oben und bedauern unsere Entscheidung.

Auf der anderen Seite habe ich, seit unserem ersten Urlaub hier, immer im Hinterkopf, dass es einen instabilen Berg gibt und die Wissenschaftler, die den Berg verkabelt haben, rechnen damit, dass es einen Bergrutsch gibt. Dieser würde einen ca. 80 m hohen Tsunami auslösen, der Geiranger und einen weiteren Ort innerhalb kürzester Zeit zerstört. Ein paar Kilometer weit entfernt steht unsere Ferienhütte direkt am Ufer. Auch sie wäre innerhalb einer bestimmten Zeit zerstört. Was uns bei unserem ersten Aufenthalt nicht aufgefallen war, wird überdeutlich sichtbar, wenn man weiß, auf was man achten muss: Überall in diesen Orten stehen hohe Masten mit Lautsprechern. Die Behörden hoffen, die Menschen rechtzeitig warnen zu können. Erst ein Gespräch am letzten Urlaubstag mit einem Nachbarn, hat uns auf diesen Umstand aufmerksam gemacht.

Trotzdem hatten wir uns entschlossen, ein Jahr später die Hütte wieder zu mieten und dann gleich für 14 Tage. Kurz vor unserem Urlaub hatte ich einen Traum. Ich erlebte die Katastrophe. Wir waren auf unserem Boot unterwegs, als der Tsunami auf uns zurollte. Zuerst wurde mein Mann erfasst, da er im Bug stand und angelte. Ich saß im Heck und als es mich erfasste, gab es eine Schrecksekunde und den Gedanken "sterben ist nicht schlimm!". Seither stand mir der Traum vor Augen und die Gefühle steckten mir in den Knochen. Ich mochte mit niemandem darüber sprechen, damit die Traumbilder keine Energie bekamen. Als wir dann dort waren und je länger unser Aufenthalt dauerte, ohne dass etwas passierte, desto mehr Vertrauen gewann ich und irgendwann kam mir der Satz „Norwegen macht dir nichts, du bist hier sicher“ in den Sinn. An unserem Abreisetag, erzählte ich meinem Mann auf der Fahrt von dem Traum. Zu meinem Erstaunen, überraschte ihn meine Erzählung nicht. Er selbst hatte bei unserer Anreise ein seltsames Gefühl, welches er beiseitegeschoben hatte – das beneide ich manches Mal, da es mir selten gelingt. Allerdings hätten ich vielleicht eher mit ihm sprechen sollen, als mich mit dem Gedanken allein herumzuplagen - ich weiß es nicht.

All das ist wieder präsent auf diesem Aussichtspunkt, der den anrührenden Blick in diesen wunderschönen Fjord gewährt. Die Bergriesen strahlen so viel massive Stabilität aus und sind doch so fragil. Im Grunde wie alles im Leben. Alles unterliegt der Veränderung dem Verfall, warum glauben wir, dass die Berge sich nicht verändern?

Unsere Reise führt uns weiter in das Gebiet um den Nordfjord. Dort ist das Setting meines Romans und ich bin aufgeregt. Wir haben erstmals drei Wochen am Stück in einer Hütte und möchten verschiedene Orte besuchen, die wir vor Jahren gesehen haben. Ich suche spezielle Grabhügel, einen hatte ich unbewusst gesehen und über einen habe ich gelesen. Letzten Endes spielen beide eine Rolle in meinem Roman. Ich habe mir vorgenommen, meinen Roman nach „Hause zu bringen“, alle Schauplätze zu besuchen, um Bilder zu machen und zu schauen, wie es sich jetzt für mich anfühlt.

Wir fahren entlang des Hornindalsvatnet und entschließen uns, über Stryn zu fahren. Der Weg ist zwar länger, aber wir haben Zeit. Von Stryn aus fahren wir nach Loen und halten am Loen- Skylift. Über die Jahre haben wir den Bau sowie die Fertigstellung der Seilbahn mehr oder minder begleitet, es aber nie gewagt, mit ihr zu fahren. Bisher hat es uns genügt, fasziniert zuzuschauen, wie die Gondel in schwindelerregende Höhe und wieder hinab ins Tal fährt. An diesem Tag sind Paragleiter unterwegs und wir schauen ihnen lange zu, wie sie Springen, Saltos schlagen und letzten Endes sicher auf die Erde gleiten. Mir wird allein beim Zuschauen mulmig. Nach der Rast führt unser Weg am Fjord entlang über Olden und Innvik nach Utvik von wo wir mit unserem Gespann über Serpentinen den Bergrücken hinauffahren. Mein Mann liebt es, diese Straßen mit den Spitzkehren zu fahren, mit dem Boot im Schlepptau nochmal eine besondere Herausforderung, die ich nicht unbedingt mag, er aber super meistert. Oben befindet sich der Aussichtspunkt Skørbakkane, der einen sehr schönen Blick über den Innvikfjord bietet.

Aussichtspunkt Skørbakkane über den Innvikfjord

Die kurze Rast hat gutgetan und wir fahren über das Fjell (Hochebene), bis sich die Straße an der Flanke des Bergrückens wieder zu Tal schlängelt. Die Wege sind wie nach Hause kommen. Wir kennen uns aus und denken an frühere Fahrten. So gesehen ist Norwegen ziemlich klein, denn viele Möglichkeiten von A nach B zu kommen gibt es nicht. Dennoch entdecken wir immer wieder neue Blickwinkel auf diese wunderschöne Natur. Langsam werden wir hungrig, denn seit dem Frühstück haben wir nichts mehr gegessen. Da wir wissen, dass wir nach unserer Ankunft, unser Boot zu Wasser lassen wollen, suchen wir uns einen schönen Rastplatz, packen unseren Gaskocher aus und kochen uns Maultauschen. Komisch, zu Hause mag ich die nicht, aber im Urlaub, während eines Fahrtages, schmecken die Dinger direkt aus dem Topf auf eine Gabel aufgespießt einfach klasse. Mittlerweile hat sich das Wetter etwas verschlechtert, es fängt leicht an zu regnen und wir packen hastig unsere Sachen zusammen, um die letzte Etappe nach Sandane in Angriff zu nehmen. Es ist nicht mehr weit und Vorfreude ergreift uns. Ich freue mich besonders auf unsere Vermieter. Letztes Jahr hatte mir der Senior versprochen, mir mehr Informationen über das Grab einer Wikingerfrau auf seinem Grund zu geben und mir seine Münzen mit Motiven aus der Wikingerzeit zu zeigen. Ob er sich noch an uns und an sein Versprechen erinnert? Wenn nicht, wie sollte ich ihn darauf ansprechen ohne unhöflich zu sein?

Als wir ankommen, stellen wir zuerst unser Boot im Tal ab und fahren dann zu unserer Hütte auf der Alm. Alles ist so vertraut. Ein paar Schafe weiden und erschrecken, als wir vorbeifahren. Friedliche Idylle, die uns zur Ruhe kommen lässt. Unsere Vermieter kommen gerade aus unserer Hütte. Sie haben uns Feuer gemacht, denn nach dem Regen wurde es doch ziemlich kühl. Sie wissen sofort, wer wir sind und zeigen uns den Stein unweit unserer Ferienunterkunft, der das Grab der Wikingerfrau markiert. Die Begrüßung ist herzlich und wir fühlen uns einmal mehr willkommen.

Nachdem wir unsere Hütte bezogen haben, geht es wieder los, das Boot zu Wasser lassen. Routiniert und aufgeregt, bereiten wir alles vor. Das Wasser fällt, aber das Wasser steht noch hoch genug, um das Boot zu slippen. Meine Aufgabe ist es, das Boot über den Fjord zum Anleger unserer Vermieter zu fahren und mein Mann fährt mit dem Gespann über den Landweg dort hin. Es ist frisch, aber die Sonne zeigt sich wieder und der Fjord liegt ruhig vor mir. Ich genieße die Seeluft, die Ruhe und halte Ausschau, ob ich meinen Mann irgendwo am Ufer sehe.

Fast Zeitgleich treffen wir am Anleger ein, vertäuen eingespielt unser Boot und nehmen den Trailer mit auf die Alm. Dort darf er, bewacht von Schafen, die drei Wochen über sicher stehen. Später sitzen wir auf der Bank unweit unserer Hütte, neben dem Stein, lassen es uns gutgehen und genießen die Aussicht über das Fjordende bis zu den schneebedeckten Bergen.

Angekommen, Feierabend für heute.

Fortsetzung folgt...

Kategorien: Reisen | Schlagworte: Inspiration, Reise, Urlaub, Westnorwegen

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